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"NEUE JUDEN-ORDNUNG"

Vom Jahr 1749 existiert noch der Druck einer „Neu eingerichteten Juden-Ordnung“ des bereits genannten Landgrafen Friedrich I. von Hessen, König von Schweden. Darin wird verfügt, dass ohne Schutzbriefe Juden in der Landgrafschaft nicht geduldet werden, „es sey dann dass sie zuvor von Uns selbst einen Schutz-Brief unterschrieben... und vorzuzeigen haben;... Die jenige aber, welche unter Unseren Landsassen von Adel wohnen..., und sofern diese dergleichen rechtmässig hergebracht, werden gelassen.“

Das bedeutete, dass unter Friedrich I. bzw. seinem Bruder Wilhelm, der als Statthalter den fernen Schwedenkönig in seinem Stammland Hessen vertrat, das Judenprivileg eines Grundherrn allein zur Zuwanderung und Niederlassung von Juden längst nicht mehr genügte. Es musste ein Schutz-Brief des Landesherrn sein, der nur unter sehr strengen Bedingungen und lediglich an älteste Söhne inländischer Schutzjuden ausgestellt wurde. Ihnen war nur gestattet, an Orten zu wohnen, wo schon von alters her Juden ansässig waren. Meimbressen war ein solcher Ort. Schon Landgraf Philipp hatte 1524 während der Reformation den Zuzug von Juden in Hessen allgemein untersagt und den Grundherren von Meimbressen ausdrücklich verboten, weitere „Andersgläubige“ in ihrem Bereich anzusiedeln.

Ob die Wölffe sich daran hielten, ist nicht nachweisbar. Immerhin müssen nach dem Dreißigjährigen Krieg ja noch die bereits erwähnten polnischen Flüchtlinge im Dorf aufgenommen worden sein. Im Jahr 1687 wurden die Meimbresser Juden vom Wolff von Gudenbergschen Jagdgeld befreit. Es war eine von den verschiedenen Steuern, die die Juden an den Grund- und Schutzherrn zu zahlen hatten. Ihre Lebensbedingungen waren aber in der gesamten Landgrafschaft, wie auch im übrigen Deutschland, immer noch außerordentlich schwierig.

Beruflich waren sie auf aufrichtigen Handel und Wandel mit allerhand Waren beschränkt. Sie konnten keiner anderen Tätigkeit nachgehen. Zünfte und Gilden waren ihnen verschlossen. Land durften sie nicht besitzen, und ihre Gottesdienste hatten nur in aller Stille in Privathäusern stattzufinden. Die fälligen Schutzgebühren (ca. zwölf Reichsthaler jährlich) mussten bei Strafandrohung pünktlich an die landgräfliche Kasse gezahlt werden.  Dabei handelte es sich um die halbe Summe. Die andere Hälfte stand – im Falle der Meimbresser Einwohner Judenschaft – dem mit dem entsprechenden Privileg ausgestatteten Grundherrn zu.

Text: Dr. Eb. Wolff von Gudenberg †2006

SIEBEN KORBFLASCHEN
AUS MEIMBRESSEN
Ein kleines Stück deutscher Geschichte

Meimbressen gehört zu den ältesten Dörfern Hessens. Der Name taucht bereits im 10. Jahrhundert in Aufzeichnungen des Klosters Fulda auf. Seit dem 14. Jahrhundert siedelte der lokale Grundherr von Gudenberg sogenannte Schutzjuden an. Herrschten im 13. Jahrhundert die Ritter von Gudenberg und Wolff von Gudenberg noch über ein größeres Territorium, so mussten sie im Jahr 1300 auf Burg, Wald und Ländereien verzichten und an die ersten Landgrafen von Hessen abtreten. Kurioserweise blieb das dazwischen liegende Meimbressen davon ausgenommen und war noch lange Zeit ein „Gudenbergsches Dorf“, also im Lehen der Ritter und ihres mainzischen Lehnsherren.

Wie überall in Deutschland kam es auch im heutigen Hessen immer wieder zu Krisen im Zusammenleben zwischen Juden und Christen sowie zu Verfolgungen und Vertreibungen der Juden. Eine der Verfolgungswellen begann Ende März 1349 mit einem Massaker in Fulda und erreichte ihren traurigen Höhepunkt mit der Ermordung der Gelnhauser Juden, der Vernichtung der Frankfurter Gemeinde und einer Reihe kleinerer Gemeinden in der Umgebung. Nur wenigen gelang die Flucht. Die Meimbressener Ritter hingegen siedelten zahlreiche vertriebene Familien bei sich an, so dass das Dorf zeitweilig überwiegend von Juden bewohnt war. Hier liegt einer der größten jüdischen Friedhöfe in Hessen.

Im November 1938 zerbrach dann für immer die uralte Symbiose zwischen Christen und Juden in einer kleinen Landgemeinde. Die letzten Angehörigen der verfolgten Minderheit verließen bis 1941 das Dorf oder wurden gewaltsam verschleppt. Nur etwa 23 war die Emigration rechtzeitig gelungen. Ein Großteil der Meimbresser Juden wurde erst nach Kassel und von dort in verschiedene KZs gebracht. Mehr als die Hälfte der Meimbresser Judenschaft überlebte den Holocaust nicht. Dr. Eberhard Wolff von Gudenberg, der als Vierzehnjähriger hilflos und konzeptionslos den Pogrom von 1938 direkt mit angesehen hat, erlebte damit das trostlose Ende der uralten jüdischen Gemeinde in Meimbressen, zu deren Entstehen die Vorfahren seiner Familie vor sechs Jahrhunderten als Schutzherren maßgeblich beigetragen hatten.


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